#366 22.01.2021 It was damn stressful, fucking psycho, aber es hat sich gelohnt!
So richtig gradlinig, stramm deutsch, verlief mein Lebensweg eigentlich nie. Möchte man meinen Körper einschließlich Psyche mit einer Landschaft vergleichen, könnte man sagen, dass da einige ziemlich großer Krater von diversen Einschlägen drin sind. Passender Weise zum Alter -bevor der letzte Abgang ansteht- war das, was von April 2018 bis zum 08.01.2021 geschah, mehr -um in der bildlichen Sprache zu bleiben- ein Meteoritenhagel als ein einzelner Einschlag. Keine Sorge ich werde mich nicht allzu sehr in Einzelheiten verheddern, sonst könnte ich gleich ein Buch schreiben. Nur ein paar markante Points werde ich notieren. Beschrieben wird der Weg von einer fristlosen Kündigung bis zur Verrentung und die Rolle der einzelnen Behörden etc.

Am 16.05.1984 begann ich meine "Karriere" bei -wie fast 2 Jahrzehnte später ein Oberstleutnant der BW in Mazedonien treffend sagte- einem bedeutenden westlichen Nachrichtendienst. Ich begann als einfacher Wachmann und über verschiedene Stationen schaffte ich es mit ziemlichem Fleiß und Glück (Dank hochrangiger Vorgesetzte) mich zum klassischen "Geheimagenten" hoch zu arbeiten. Geschenkt bekam ich nie etwas und alles wurde parallel zur eigentlichen Tätigkeit erlernt. Klar, dass ich als "VF" auch nie in den schönen Regionen der Copacabana auftauchte, sondern ausschließlich dort, wo im wörtlichen Sinn immer BOMBENstimmung herrschte.

Der Abstieg begann im Dezember 2004 nach einem ziemlich kritischen Einsatz in Afghanistan. Zwar ein schöner Erfolg für den Verein, aber es war klar, dass ich für einige Zeit von der Bildfläche verschwinden musste. Dann übte ich über den damaligen Vizepräsidenten ziemlichen Druck auf die Personalstelle aus und setzte meine Versetzung nach Berlin durch. Mit dem Ergebnis, dass ich kaltgestellt wurde. Doch das funktioniert nie zu 100% beim Bäääda. Und so kletterte ich auf der Unbeliebtheitsskala immer weiter nach oben.

Im April 2018 begann deren Falle zu funktionieren. Aus nachvollziehbaren Gründen kann ich nicht ins Detail gehen. Jedenfalls hat die interne EDV-Revision festgestellt, dass ich mit einem nicht zertifizierten USB-Stick wohl Daten transferiert hätte. Klar gab ich keine Auskunft darüber, wie ich das hätte durchführen können und bat um Beweise. Nach langwierigen Untersuchungen konnte mir nichts nachgewiesen werden und alles ging wie gewohnt weiter. Aber nur fast!
Über den Geheimschutzbeauftragten wurde eine vollständige Netzüberwachung von August - Oktober 2018 bei mir angeordnet und dabei stellte man fest, dass meine Internetnutzung, welche nicht in meiner Tätigkeitsdarstellung verankert war, jenseits von Gut und Böse war.
Am 09.11.2018 erhielt ich ein Schreiben, dass ich zu einer Anhörung wegen privater Internetnutzung in erheblichem Umfang nach München kommen sollte. Ich bat um Aufschub bis nach meinem Urlaub.
Am 12.112018 wurde ich bis 23.11.2018 AU wegen Schmerzen im Oberbauch geschrieben. Diese hatte ich bereits seit Oktober 2017 und scherzhaft behauptete ich, dass ich bei einer Trauerfeier mit kongolesischem Essen vergiftet wurde.
Am 05.12.2018 wurde ich erneut krank geschrieben.
Am 07.12.2018 wurde mir außerordentlich fristlos gekündigt.
Schwerbehindertenvertretung und Personalrat stimmten nicht zu. Aber mehr Hilfe kam nicht. Das Integrationsamt musste zustimmen, da die Kündigung nicht im Zusammenhang mit meiner Schwerbehinderung stand. Dagegen erhob ich Widerspruch.
Am 17.12.2018 Krankengeld beantragt, da ich bereits vor der Kündigung AU war. Am 19.12.2018 bekam ich seitens BKK einen ablehnenden Bescheid, da ich selbst schuld wäre und Hartz IV beantragen soll.
Nach Widerspruch über Rechtsanwalt wurde der Bescheid zurückgenommen und Krankengeld bezahlt, in etwa 500€ weniger als Gehalt.

Am 21.01.2019 fand vor dem Arbeitsgericht Berlin ein Gütetermin statt. Aus taktischen Gründen nahm ich daran nicht teil. Es wurde ein Vergleich geschlossen. Der Richter wies darauf hin, dass er, bei Widerruf, die Zuständigkeit nach München verlegen werde.
Ich widerrief den Vergleich, da ich keinen nennenswerten Vorteil für mich sah. Eine ordentliche Kündigung zum 30.06.2019 mit sofortiger Freistellung und einem guten Arbeitszeugnis, erschien mir nicht angemessen.
Der Anwalt riet mir den Vergleich anzunehmen, da die Chance höchstens 50:50 steht den Prozess zu gewinnen, da ich nicht beweisen konnte, dass die Internetnutzung dienstlich war. Und eben auch nicht in der Tätigkeitsdarstellung aufgeführt wurde.
Inzwischen hatte ich endlich die erforderliche Aussagegenehmigung von meinem Ex-Arbeitgeber erhalten. Das war psychisch von Bedeutung.

Am 22.01.2019 wurde in einem Berliner Krankenhaus eine Darmspiegelung vorgenommen. Dabei wurde Dickdarmkrebs im Stadium 3 kurz vor Stadium 4 festgestellt. Eine schnellstmögliche Operation sei unumgänglich, andere Möglichkeiten bestünden nicht mehr. Leider ging der Chirurg, der mir die Diagnose eröffnete und meinem Naturell entgegen kam, in den Urlaub und somit bestand ich auf eine Operation erst nach seiner Rückkehr. Sicher hätte die Chefärztin auch einen guten Job gemacht, doch wer schon einmal eine schwierige Operation überstand, weiß dass Vertrauen eine nicht unerhebliche Größe darstellt.
Am 14.02.2019 wurde in 3 Stunden ein größeres Stück vom Darm entfernt. Leider war ein Lymphknoten bereits infiziert und eine Streuung möglich. Dennoch lehnte ich nach mehreren Gesprächen mit Onkologen und anderen Spezialisten eine dringend angeratene Chemotherapie ab. Mir erschienen die möglichen positiven Auswirkungen einer "Chemo" nicht ausreichend im Verhältnis zu den dauerhaften Nebenwirkungen.
Allerdings schreit die Psyche nicht unbedingt Hurra bei solchen Entscheidungen.

04.04.2019 Verhandlung Arbeitsgericht München. Eine angeordnete persönliche Anwesenheit konnte ich mit Attesten abbiegen. Wieder derselbe Vergleich wie schon im Januar. Allerdings hat der Richter zu erkennen gegeben, dass der Kläger (also ich) gut beraten ist, diesen anzunehmen.
Der in München anwesende Anwalt schlug ebenfalls vor, den Vergleich anzunehmen, denn die beklagte Partei (also BND) hat kundgetan, dass sie anstreben die Kündigung zu erweitern und mgwl. ein Strafverfahren wg. Weitergabe von streng vertraulichen dienstlichen Unterlagen einzuleiten. Es handelte sich dabei u.a. um Fotos aus Mazedonien, welche ich in meinem Video "my life" veröffentlichte.
Dies war eine üble Sache und hätte böse enden können. Doch mir war im Gegensatz zu den Anwälten sofort klar, dass sich das zu einem Boomerang für den BND entwickeln hätte können. Nichtsdestotrotz war das eine extrem schwere Entscheidung, denn mein Anwalt in Berlin sprach sich ganz klar für die Annahme des Vergleichs aus. Auch im Hinblick eines Strafverfahrens für das keine Rechtschutzversicherung zahlt.
Ich widerruf den Vergleich erneut!

15.04.2019 erster Besuch bei Psychiater. Ziel ist jetzt Erwerbsunfähigkeit zu erreichen. Mein frühester möglicher Rententermin aufgrund meiner Schwerbehinderung wäre der 01.09.2021 mit 10,8% Abzügen gewesen. Das hätte bedeutet bis September im Krankenstand und dann 2 Jahre ALG I. Das schien mir a) riskant und b) einfach nicht schön, da die Freiheit fehlt.

15.10. - 08.11.2019 BKK stellt Krankengeldzahlung nach Gutachten ein. Widerspruch zusätzlich auch von Hausarzt und Psychiater. Widerspruch wird stattgegeben und Zahlung fortgesetzt.

12.11.2019 Verhandlung vor Arbeitsgericht München. Der Richter bestand auf meine persönliche Anwesenheit und zeigte, dass ihm meine Entscheidung den Vergleich nicht anzunehmen deutlich missfiel. Aber beide Schöffen zog ich schnell auf meine Seite. Das Thema Dienstgeheimnisse wurde nicht mehr angesprochen, da ich in Berlin bereits über den Anwalt ein paar sehr brisante Details aufploppen ließ.
Während der Verhandlung drehte sich der Prozess deutlich zu meinen Gunsten, was auch der guten Zusammenarbeit mit der Rechtsanwältin aus München lag. Obwohl wir uns nicht kannten, waren wir ein gut funktionierendes Team. Nach insgesamt drei Unterbrechungen hatte der Richter die Nase voll und drängte meinen Ex-Arbeitgeber dazu einen Vergleich abzuschließen, denn die Argumente sprachen für mich.
Es wurde der Vergleich abgeschlossen, der schon 2x im Gespräch war, mit einem entscheidenden Unterschied: Für den Verlust des Arbeitsplatzes wurde mir eine hohe 5-stellige Summe als Abfindung zugesprochen. Der harte Kampf und die psychische Belastung hat sich sehr gelohnt.
Doch die Geschichte war noch nicht vorbei.

Am 24.02.2020 beschied die Krankenkasse, dass aufgrund eines Gutachtens vom 17.02.2020 nur noch bis 29.02.2020 Krankengeld bezahlt wird. Obwohl mehrere Änderungen erst nach dem Gutachten relevant wurden. Zum Beispiel wurde bei einem Ganzkörperszintigramm ein "orthopädischer Totalschaden" festgestellt.
Schon ging das Theater wieder los: Widerspruch um Widerspruch, Gutachten um Gutachten bis ich zuletzt die BKK verklagte, dass sie die Beiträge für März und April 2020 bezahlen muss. Dieses Verfahren ist noch am Laufen.

Zwischenzeitlich wurde mein Schwerbehindertenstatus auf 100% erhöht. Ab 01.05.2020 war ich dann als arbeitssuchend gemeldet und bezog ALG I. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich eine Arbeitsstelle vermittelt bekomme, waren aber eher gering und auch nicht unbedingt mein Ziel.
Trotzdem ist all das ziemlich belastend und nervtötend. Dann kam noch eine kleine Auseinandersetzung im schönen Wedding hinzu, die so endete, dass ich im Anschluss eine Anzeige wegen Bedrohung mit Waffen und Nötigung am Hals hatte. Doch als "breaking bad" Fan weiß man, da heißt es einfach "better call Saul". Das tat ich und der Anwalt bereinigte das geräuschlos.

Dann durfte ich zu einem Psychiater von der Rentenversicherung wegen meines Antrages auf EU Rente. Nun man kann sagen, es fand eine angeregte Unterhaltung statt. Mit dem Ergebnis dass wir ganz sicher keine Freunde fürs Leben werden.
Damit es nicht aufhört meldete sich das Finanzamt. Was ich nicht wusste -habe ich wahrscheinlich einfach irgendwo überlesen- war, dass die Krankenkassenbeiträge versteuert werden mussten. Eine Nachzahlung in fast 5-stelliger Höhe war fällig.
Doch es gab erfreuliches. Die letzte Nachuntersuchung im Krankenhaus brachte so gute Ergebnisse hinsichtlich Krebs, dass künftig nur noch alle DREI Jahre eine Überprüfung stattfinden soll. Und dank der Abfindung versuche ich mich an der Börse und die Steuernachzahlung wurde ohne Probleme von den Gewinnen bezahlt.

Doch das highlight passierte am 28.12.2020!
Im Briefkasten lag ein dicker Brief von der Deutschen Rentenversicherung. Per Rentenbescheid wurde mir mitgeteilt, dass ich zu 100% erwerbsgemindert bin und mir rückwirkend seit 01.01.2019 Rente zusteht. Sogleich erhob ich Widerspruch, denn ich wollte zuerst abklären, ob dadurch der Vergleich, der erst im November 2019 abgeschlossen worden war, von meinem Ex-Arbeitgeber angefochten werden kann.
Nachdem unabhängig voneinander 2 Rechtsanwälte der Auffassung waren, dass dies ihrer Meinung nach nicht möglich sei, zog ich meinen Widerspruch bei der Rentenanstalt zurück und warte jetzt auf meine Rente und VBL.

Fazit:
Es war nicht einfach und so manches Mal, war ich ziemlich down und mutlos. Doch ein paar Menschen halfen mir dabei, dass ich nicht völlig verzweifelte. Dazu gehören auch mein Hausarzt und mein "Psychomann". Freunde boten mir -als alles unklar war- finanzielle Hilfe an und sogar eine ziemlich lange Wehrübung bei der Bundeswehr stand im Raum. All denen die mir halfen und mich immer wieder aufbauten, danke ich von ganz tief aus meinem Innersten. Ich hoffe nicht, dass ich mich mal revanchieren muss -denn ich wünsche das niemanden- aber wenn, dann bin ich ohne zu zögern bereit dazu.
Finanziell geht es mir blendend und die Renten (trotz hoher Abgaben für Krankenkasse und Steuern) sollten ausreichend sein, speziell wenn meine hohen Kredite ab Mitte 2022 abbezahlt sind.
Gesundheitlich sage ich mir seit Jahrzehnten, dass es schlimmer kommen könnte.
Doch das Wichtigste ist: Ich bin frei! Keine Rechenschaft mehr ablegen zu müssen. Keine Behörden mehr im Nacken und das 6 Jahre (01.09.2024 als langjährig Versicherter) vor regulärem Rentenbeginn. Yooo da kommt Freude auf. Jeder Tag früher ist ein Geschenk und ich freue mich, dass ich MEINEN Weg gegangen bin und nicht aufgegeben habe.

Mir und allen die das Geschreibsl lesen wünscht da Bäääda ois Guade

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